"Erleben und Verhalten während der Corona-Krise"
Ein umfassendes Verständnis des Verhaltens und Erlebens der Bevölkerung angesichts der Krise und der verhängten Maßnahmen ist essentiell für zukünftige Präventionsstrategien, etwa, was die anbrechende Reisesaison betrifft. Heute wurden dazu die ersten Erkenntnisse einer groß angelegten, durch die Stadt Wien geförderten Untersuchung der SFU vorgestellt.
Die Studie analysiert die emotionale Befindlichkeit und Stressverarbeitungsstrategien in der österreichischen Bevölkerung in der Frühphase der Krise sowie deren Zusammenhang mit emotionalen Grunddispositionen. Die besonders große Stichprobe (über 2.300 Befragte) und der Einsatz von validierten psychologischen Testinstrumenten unterscheidet diese Studie methodisch und qualitativ von inhaltlich vergleichbarer ad-hoc-Forschung.
Einige Ergebnisse sind dabei durchaus überraschend. So zeigt sich etwa, dass die Österreicher*-innen weniger um die eigene Gesundheit besorgt sind als um die von Freunden und Verwandten. Diese Sorge ist auch das wichtigste Motiv für die Einhaltung der Verhaltensregeln. Weiter hinten auf der Skala rangieren die Angst vor einer Überlastung des Gesundheitssystems und vor den wirtschaftlichen Folgen, erst danach folgt jene um die eigene Gesundheit. Grundsätzlich wurde den von der Regierung gesetzten Maßnahmen in Österreich eine sehr hohe Akzeptanz entgegen gebracht. Nur ein geringer Prozentsatz (0,6% der Befragten) waren diesen gegenüber sehr negativ eingestellt, ansonsten wurde auf die Anordnungen mit relativ geringen negativen Emotionen reagiert.
Allerdings trifft das nicht auf alle Bevölkerungsgruppen gleichermaßen zu; besonders die Jüngeren (18-30 Jahre) gaben im Vergleich zu den über 30-Jährigen deutlich mehr Wut und Angst aufgrund der gesetzten Maßnahmen an; mehr Angst erlebten auch die Einkommensschwächsten.
Dazu ergänzt Ass.-Prof. Stefana Holocher-Benetka, Zweitautorin der Studie und Klinische Psychologin an der Fakultät für Psychologie der Sigmund Freud PrivatUniversität: „Interessant ist, dass – entgegen mancher Vorurteile – die Einhaltung oder Nicht-Einhaltung der Maßnahmen über alle Altersgruppen hinweg gleich ist, sich also die Jüngeren in gleichem Ausmaß wie die Älterem zum Schutze anderer an die Verhaltensmaßnahmen hielten oder eben nicht. Wir konnten aber vier Gruppen erkennen, die sich aufgrund psychologischer Faktoren dahingehend unterschieden.“
Aus der Kombination von individuellen Faktoren wie gefühltem Krankheitsrisiko, allgemeiner Ängstlichkeit, Empathie und Verdrängung von Risiken ergeben sich vier Gruppen, die sich im Verhalten in der Pandemie unterscheiden. Gleichzeitig gibt es bestimmte Gruppen, die aufgrund bestimmter Merkmale ein hohes Risiko haben, psychischen Langzeitfolgen zu entwickeln.
Dazu Prof. Christiane Eichenberg, Studienautorin und Leiterin des Instituts für Psychosomatik an der Fakultät für Medizin der SFU: „Zusammenfassend sehen wir, dass es aufgrund prädisponierender psychologischer Faktoren unterschiedliche Risikogruppen gibt. Zum einen die gesellschaftlich relevante Risikogruppe, die die Präventionsmaßnahmen nicht umsetzt. Zum anderen eine Risikogruppe, die gefährdet ist, durch die Krise psychische, psychosomatische und somatopsychische Beschwerden zu entwickeln. In der Regel zeigen sich solche Beschwerden zeitversetzt, in etwa drei bis sechs Monate nach dem Abklingen eines akuten Ereignisses. Wesentlich ist, über diese zeitversetzte Belastungsreaktion aufzuklären, damit Betroffene sie einordnen können. Gleichzeitig muss sich das Gesundheitssystem auf diese psychische Belastung eines beachtlichen Teils der Bevölkerung einstellen, was impliziert, dass die Corona-spezifischen psychosozialen Hilfsangebote weiter geöffnet bleiben müssen.“
Foto: © Sigmund Freud PrivatUniversität Wien
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