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Viel Freude mit der "neuen" Mucha wünscht

Barbara Mucha und die Mucha-Administration

Einkaufszentren: Das Scheitern auf der grünen Wiese

Langweilig kann man das schon kaum mehr nennen: Die meisten Städte sehen, was Einkaufsmöglichkeiten betrifft, nahezu gleich aus. Überall die gleichen Mode- und Drogerieketten, Brillen- und Hausratsfirmen, Bettenlager und Büromärkte, dazu ein oder zwei Lebensmittelmärkte und fertig ist ein neues Shopping-Paradies. Darin verflachen Warenangebot und Beratungsqualität. Und was noch schlimmer ist: Die Kaufpaläste am Stadtrand haben die Innenstädte veröden lassen. Die Folge ist nicht nur, dass es den Unternehmern dort schlechter geht. Die Lebensqualität sinkt, tote Zonen entstehen, wo man früher flanierte und sich begegnete.

Die Nostalgie steht dabei gar nicht im Vordergrund, sonst müsste man noch weit mehr beklagen, beispielsweise das Sterben der inhabergeführten Fachgeschäfte, weil sich überall die Ketten festsetzen. Auch in den Innenstädten. Diese Entwicklung reicht bereits Jahrzehnte zurück und hat dafür gesorgt, dass man an einer Fußgängerzone nicht mehr erkennen kann, ob man sich in Wien, München, Frankfurt am Main oder Graz befindet. Die Orsays, Pimkies, Mäckies usw. gehen bei der Standortwahl nicht danach, ob sie schon seit hundert Jahren da sind, sondern nach Flächenertrag. Den Vermietern ist das ganz recht, sie verlangen tendenziell immer mehr, die kleinen Einzelhändler können sich’s also nicht mehr leisten.

Verlockendes Einkaufszentrum

Noch verlockender als eine gut frequentierte Einkaufsmeile ist ein neues Einkaufszentrum am Stadtrand, ein nach wie vor kräftiger, aber nicht positiver Trend, dem offenbar alle hinterherlaufen. Weil man glaubt, in der Innenstadt sei es zu eng oder es gebe nicht genügend Parkplätze, stampft man auf der grünen Wiese so ein Ding aus dem Boden, mit vielen Parkplätzen und halbkreisförmig angeordneten Geschäften. Hier braucht es nicht die klassische Kulisse aus Rathausfront und Stadthäusern, das Shoppen wurde vom städtebaulichen Ballast befreit – hinfahren, kaufen, kaufen, kaufen, und dann wieder heimfahren. Dafür hat man alle Läden nebeneinander, die man braucht. Und weil das wirklich praktisch ist, machen es auch alle mit.

Dabei regiert der kurzfristige Blick auf scheinbare Vorteile. Für die häufig von Politikern mit bäuerlichem Hintergrund regierten ländlichen Gemeinden ist der Fall klar: Die Gemeinde räumt richtig viel Gewerbesteuer ab, die verwandtschaftlich mit den Stadtvätern verbundenen Grundeigner können ihre Äcker, nun als Bauland, mit immensem Gewinn verkaufen, für die Handelsketten sind die Mieten günstiger, die Möglichkeiten besser und der Kundendurchsatz höher. Auch die Verbraucher kaufen eher und mehr dort als an den bisherigen Standorten, entgegen allen Klagen über die aussterbenden Innenstädte. Man sollte also meinen, dass es allen Beteiligten Vorteile bringt.

Standardprogramm statt Sonderwünsche

Und nachdem die frühen Supermärkte aus heutiger Sicht wie Tante-Emma-Läden wirken, platzieren die Lebensmittelketten wahre Riesenmärkte in die Gewerbegebiete. Hofer, Lidl, Billa, Interspar finden sich z. B. in Hollabrunn in unmittelbarer Nähe zueinander, dabei kommt es alle paar Jahre zum Neubau bereits bestehender Filialen, immer größer, immer prächtiger. Aber fragen Sie mal bei Hofer außerhalb der Spargelzeit nach Sauce Hollandaise – Fehlanzeige! Alkoholfreier Sekt? Haben wir nicht. Das minimierte Standardprogramm, das jeder kaufen soll, wird grenzenlos übertrieben. Sonderwünsche werden nicht mehr berücksichtigt.

Ratlose Berater und informierte Kunden

Dazu passt es gut, dass die Beratungsqualität des Einzelhandels in den letzten Jahrzehnten deutlich abgenommen hat. Geht man beispielsweise in einen Baumarkt und fragt dort einen Mitarbeiter der Farbenabteilung nach Beize, kann man erleben, dass dieser Berater noch ratloser in die Regale blickt als der Kunde selbst. Siegessicher zieht er dann eine Dose Abbeizmittel hervor, also etwas ganz anderes. Manche „Spezialisten “ ducken sich regelrecht weg, wenn ein Kunde auftaucht, oder erklären sich für nicht zuständig. Oder fragen Sie einmal in einem Drogeriefachmarkt nach Essigsaurer Tonerde, wahrscheinlich wird man Sie dann in einen Gartencenter schicken. Die „Kompetenz“ vieler schlecht ausgebildeter Mitarbeiter ist strikt auf das eigene schmale Warenangebot beschränkt, als Verkaufsargument zählt häufig nur noch der tiefste Preis. Beides hat sehr viele Kunden kompetenter gemacht: Sie kommen mit größerem eigenem Fachwissen, weil sie Beratungsleistung nicht mehr erwarten. Und sie verfügen über Vergleichspreise, die man teilweise per Handy-App bekommt, wenn man den Code am Regal ablichtet.

Das bedeutet: Diese Kunden wissen, was sie suchen, und sie kaufen es da, wo es ihnen nach Aufwand und Kosten am günstigsten erscheint. Da punktet der Online-Handel. Er liefert das Gesuchte, meist am billigsten, weil er keine Ladenmiete und wenig fürs Personal zu zahlen braucht. Dadurch verlagert sich ein großer Teil der Umsätze ins Internet. Und nun klagen die innerstädtischen Einzelhändler und die Großketten gemeinsam, denn der Online-Handel wird zu einer starken Veränderung der Innenstädte führen. Schon jetzt sind Fußgängerzonen in vielen Städten völlig trostlos.

Es kommt noch schlimmer

„Die Schleuse ist offen. Die Online-Händler werden dem klassischen Einzelhandel in den nächsten Jahren immer mehr und immer schneller Umsätze wegnehmen“, sagte Handelsexperte Gerrit Heinemann der Zeitung „Die Welt“. Inzwischen hat bereits ein Drittel der Kunden einen guten Teil der Käufe auf das Internet verlegt, die Umsätze der Online-Händler explodieren, gerade im Weihnachtsgeschäft. Der Internet-Handel wächst zehnmal so schnell wie der klassische Handel.

Unter Druck geraten vor allem die mittelguten Lagen, was in ländlichen Gemeinden, die keine Top-Lagen haben, alle Geschäfte betrifft. Für Klein- und Mittelstädte mit 30.000 bis 60.000 Einwohnern sagte Heinemann „gewaltige Verwerfungen“ voraus, die schon jetzt zu bemerken sind. Selbst wenn noch Geschäfte übrigbleiben sollten, müssen sie doch mit etwa 30 Prozent Umsatzrückgang bis 2023 rechnen. Der Lebensmittelhandel spürt davon einstweilen noch wenig, wird aber auch in absehbarer Zeit geschoren werden: Nach einer Studie der Unternehmensberatung Ernst & Young wird schon 2020 jeder zehnte Euro für Lebensmittel online ausgegeben werden.

Baustopps für Einkaufscentren

Gegenvorschläge gibt es schon lange. Manche haben Kooperationen gebildet, um gemeinsam etwas für die Reanimation ihrer Innenstadt zu tun. Wirtschaftsagenturen wie Ecoplus in Niederösterreich helfen durch Beratung bei der Standortwahl. Andere fordern Baustopps für Einkaufszentren oder Mietpreisbremsen. Wieder andere haben die Zusammenarbeit zwischen stationärem Handel und Online-Konkurrenz durchdacht: So könnte man Bücher, Parfüms, Photos und vieles mehr online bestellen und im Geschäft abholen. Tatsächlich sind diese Bereiche auch gar nicht so strikt getrennt: Firmen wie der Versandhandel Manufactum fingen mit reinem Fernabsatz an und unterhalten heute Warenhäuser in innerstädtischen Top-Lagen. Sie nutzen die Wechselwirkungen: Katalogbesteller können sich im Warenhaus die Dinge in Ruhe anschauen, oft dient der Katalog zur Vorbereitung des persönlichen Einkaufs. Ein niederösterreichischer Bio-Greisler schlägt jeden Tag sein Mittagsmenü auf Facebook an, wo es die Leute direkt zur Einkehr lockt. Umgesetzt wurde davon jedoch herzlich wenig.

The Empire strikes back

Der massive Einstieg der Online-Händler in den stationären Handel ist nur eine Frage der Zeit. Schon ist vom „Omnichanneling“ die Rede, und es erscheint auch folgerichtig, da Firmen wie Amazon oder Zalando einen extremen Bekanntheitsgrad erworben haben und die Laufkundschaft eben auch noch abholen können. Problem nur: Was man alles bei Amazon bestellen kann, geht nie und nimmer in eine Einzelhandelsliegenschaft. Folglich werden solche Geschäfte eher als Bestellannahmen entwickelt werden. In Kombination, etwa mit Schuhgeschäften, wo man online die gewünschte Größe bestellen und dann auch dort abholen kann, funktioniert das schon jetzt. Hier gehen Online- und Offline-Handel mit ihren jeweiligen Kompetenzen eine sinnvolle Verbindung ein. Doch auch dabei bleiben die klassischen Einzelhändler herkömmlichen Zuschnitts mit großer Wahrscheinlichkeit auf der Strecke.

Die Umsätze der stationären Einzelhändler sanken in den letzten zehn Jahren um 16 Prozent. Obwohl aufgrund der wachsenden Online-Konkurrenz die Flächen in den Shopping-Centern immer weniger benötigt werden, nehmen sie dennoch rasant zu. Der Flächenertrag lässt sich dann nur noch erhalten, indem man ausschließlich gefragte Produkte anbietet – ein Minimalprogramm aus Schnelldrehern, die jeder kauft und die deshalb gerade für denjenigen, der „shoppt“, also bummelt, immer uninteressanter werden müssen. Während sogenannte Ankermieter sich immer breiter machen, kapitulieren alle schwächeren Firmen. Die Center-Manager tun alles, um die besseren Mieter zu bekommen, denen vergeht mittlerweile aber schon die Lust auf das Spiel.

Licht am Ende des Tunnels

Der Ausweg aus der verfahrenen Situation wird deutlich, wenn man die Entwicklung zu Ende denkt: Tendenziell sind die Innenstädte vom mittelständischen Einzelhandel mehr oder weniger bereinigt; was dort angesiedelt ist, kann ebenso im Einkaufszentrum zu finden sein und hat daher kein Problem mit dem Standortwechsel. Beide Bereiche werden von Konzernen dominiert. Verschwindet einer, rücken andere nach. In den Innenstädten werden sich erst dann wieder kleinere Geschäfte ansiedeln können, wenn entweder die Lage für große Firmen uninteressant ist oder die Neugründungen eine Nische besetzen können. Die Einkaufszentren hingegen werden sich dadurch leeren, dass die gewünschten Flächenrenditen nicht mehr erwirtschaftet werden – somit werden diese Standorte auch für Konkurrenten uninteressanter, letztlich werden einige dieser Shoppingbereiche verschwinden, was wiederum den Stadtkernen zugutekommt.

Zur Wiederbelebung der Stadtkerne könnten schon jetzt Allianzen aus Handel, Vermietern und Ortspolitik beitragen. Wenn alle Beteiligten die Belebung der Innenstadt als erstrebenswert erkennen würden, weil sie sich auch wirtschaftlich rechnet, würden die kurzfristigen Gewinne auf der grünen Wiese gar nicht mehr so attraktiv aussehen.

Foto: Fotolia

 

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